Über den Tellerrand der 88 Tasten

Hubert Rutkowski fördert Offenheit, Neugier und Kooperation.

Hubert Rutkowski, 1981 in Polen geboren, gilt international als feinfühliger Interpret speziell der romantischen Klavierliteratur des 19. Jahrhunderts. Als Absolvent der Frédéric-Chopin-Musikuniversität in Warschau und Preisträger des Internationalen Klavierwettbewerbs der Chopin-Gesellschaft in Hannover scheint diese musikalische Vorliebe quasi vorgezeichnet zu sein. Nach dem Abschluss des Studiums absolvierte er ein Doktorandenstudium bei Alicja Paleta-Bugaj in seiner Heimat Polen. 2005 bis 2010 schloss er das Aufbaustudium Konzertexamen an der HfMT Hamburg in der Klasse von Evgeni Koroliov ab. Im April 2010 wurde Hubert Rutkowski zu einem der jüngsten Professoren der Hochschule berufen. Seit November 2011 leitet Rutkowski zusätzlich eine Klavierklasse an der Hochschule für Künste Bremen.

Er ist Gründer und Präsident der Theodor Leschetizky-Musikgesellschaft in Warschau, Präsident der Chopin-Gesellschaft Hamburg & Sachsenwald e.V., Intendant des Chopin-Festival Hamburg sowie künstlerischer Direktor des Theodor Leschetizky Klavierwettbewerbs Polnischer Musik an der HfMT Hamburg.

„Gut Klavierspielen alleine reicht nicht“

Aktuell unterrichtet Hubert Rutkowski an der HfMT 14 Studierende aus neun Nationen, zusätzlich betreut er noch zwei Bremer Studierende. Auf die Frage, wer sich wen aussucht, er die Studierenden oder umgekehrt, muss er lachen. „Es gibt da sehr unterschiedliche Wege, wie jemand in meine Klasse kommt. Häufig findet ein erster Kontakt über die Meisterkurse statt, die ich etwa in China, Korea, Frankreich, Polen oder hier in Deutschland gebe. Daher erklärt sich wohl auch ein wenig die sehr internationale Zusammensetzung meiner Klasse.“

Was sind für ihn die Schwerpunkte seines Unterrichts? Schließlich kann man davon ausgehen, dass alle, die die strenge Aufnahmeprüfung überstanden haben, ihr Instrument schon sehr gut beherrschen. „Das ist sehr individuell. Jeder Musiker hat seine eigene künstlerische Persönlichkeit, in der die technischen, kreativen und psychologischen Momente unterschiedlich geprägt sind. Das zu koordinieren und in Hinblick auf das Klavierspiel zu optimieren, ist eine meiner wesentlichen Aufgaben als Lehrender. Wichtig ist mir zusätzlich der interdisziplinäre Aspekt. Gut Klavierspielen alleine reicht nicht. Man sollte schon über den Tellerrand der 88 Tasten hinausblicken und sich auch für andere künstlerische Bereiche interessieren. Hector Docx, einer meiner Studierenden, den ich zusammen mit Mauro Lo Conte betreue, hat zum Beispiel im vergangenen Jahr hier an der HfMT ein Festival ins Leben gerufen, das genau von dieser Idee getragen ist. So etwas gefällt mir sehr.“

Gruppengefühl großgeschrieben

Instrumentalisten, vor allem auch die Pianisten, sind in der Regel „Einzelkämpfer, was unter anderem auch damit korrespondiert, dass sie Einzelunterricht erhalten.“ Wie also sieht der Kontakt untereinander aus? „Der ist auf jeden Fall vorhanden und wird von mir auch ausdrücklich gefördert. Jede zweite Woche findet ein internes Klassenvorspiel statt, in dem sich nicht nur jeder musikalisch präsentiert, sondern sich auch mit allen anderen kritisch austauschen kann. Das fördert das Gefühl für die Gruppe, die Gemeinschaft ungemein. Das ist nicht zuletzt auch daher wichtig, weil die Konkurrenz nach Beendigung des Studiums sehr groß ist. Nur die wenigsten werden gefeierte Virtuosen. Für viele wird das Unterrichten in ihrer beruflichen Zukunft eine maßgebliche Rolle spielen.“

Junge Pianisten an historischen Flügeln

Wer übrigens Hubert Rutkowski und seine Studierenden live erleben will, hat dazu nicht nur bei den Prüfungskonzerten Gelegenheit. So setzte sich Hubert Rutkowski in den letzten Jahren vermehrt mit den historischen Flügeln des 19. Jahrhunderts auseinander. In diesem Zusammenhang arbeitet er mit dem Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zusammen und leitet eine Konzertreihe auf den Instrumenten der Sammlung von Andreas Beurmann und Heikedine Körting.

Quelle: Die Zeitung der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Ausgabe 20 Sommersemester 2017